Was ist die optimale Depotgröße?

Was ist die optimale Depotgröße?

Zu unserem letzten Kassensturz erhielten wir einen Kommentar von Mike. Er könne nicht nachvollziehen, warum wir unser Depot auf circa 50 Werte limitieren wollen. Da die Antwort auf die Frage nach der optimalen Depotgröße etwas umfangreicher ist, haben wir uns entschieden, dem Thema einen eigenen Beitrag zu widmen.

Grundsätzlich geht es bei bei der Frage nach der idealen Depotgröße darum, das Optimum aus Diversifikation und Konzentration zu finden, welches zum eigenen Risikoprofil passt.

Die Risikoneigung ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Daher lässt sich an dieser Stelle bereits sagen, dass es keine allgemeingültige Antwort geben kann.

Es gibt jedoch einige Aspekte, die man zur individuellen Beantwortung berücksichtigen sollte.

Bestimmung der Depotgröße durch Konzentration

Stell Dir vor, Du hättest im Juli 1997 Dein gesamtes Erspartes in Höhe von 5.000,- Euro in  Amazon investiert. Eine Aktie hättest Du damals (laut Ariva) schon für einen Euro erhalten.

Wenn Du Deine Aktien bis heute gehalten und nicht verkauft hättest, dann wärst Du heute Multi-Millionär. In etwas über 20 Jahren wären aus Deinen 5.000,- über 13 Millionen Euro geworden. Eine Aktie wurde in der vergangenen Woche für 2.730,- Euro gehandelt.

Egal, ob die diesem Beispiel zugrundeliegenden Kurse hundertprozentig korrekt sind oder nicht, eins wird an diesem Beispiel deutlich: die Rendite wäre maximal und die ideale Depotgröße, um diese Rendite zu erzielen, wäre genau ein Unternehmen.

Wenn Du alles auf eine Karte gesetzt hättest, also Dein gesamtes Kapital auf nur ein Unternehmen „konzentriert“ hättest, dann wärst Du der große Gewinner.

Bestimmung der Depotgröße durch Diversifikation

Na das ist doch easy. Warum sollte man dann überhaupt in mehr als ein Unternehmen investieren?

Ganz einfach: 1997 wußte noch niemand, was aus dem langweiligen Bücherhändler und diesem Internet, welches gerade mal seit etwa 4 Jahren halbwegs nutzbar war, werden würde. Die ersten Mobiltelefone waren von Aktentaschengröße zu handlichen Geräten geschrumpft und fanden größere Verbreitung. Das Smartphone war noch unvorstellbar.

Wie viele Tech-Giganten sind in der Zwischenzeit entstanden und wieder verschwunden? AOL oder Yahoo sind heute noch bekannt, aber wer erinnert sich noch an Altavista, MySpace, ICQ oder Second Life?

Wer auf eines dieser Pferde gesetzt hätte (sofern börsennotiert möglich), wäre heute sicher nicht Millionär. Oder vielleicht wäre er es zwischenzeitlich gewesen, aber heute nicht mehr.

Nebenbei bemerkt finden wir aus diesem Grund auch die Gedankenspielchen, die mit „wenn Du vor 20 Jahren in XXX investiert hättest“ beginnen und sich in so vielen Finanzblogs finden, unseriös.

Nun könnte man sagen, dass man mit einer geringeren Rendite zufrieden wäre und daher in ein solides, etabliertes und anerkanntes Unternehmen wie beispielsweise Daimler (haben wir selber im Depot) investiert.

Aber wer ahnte vor ein paar Jahren, dass Volkswagen schummelt, eine Deutsche Umwelthilfe die Republik mit Klagen überzieht und die Politik die eigene Wirtschaft und die Autobranche im Speziellen an die Wand fährt? Wer konnte ahnen, dass ein Elon Musk die Branche durcheinanderwirbelt?

Selbst große und erfolgreiche Konzerne und Branchen können scheitern.

Wenn es nicht ohnehin selbstverständlich sein sollte, wird spätestens anhand dieser Beispiele offensichtlich, dass es angeraten ist, sein mühsam erarbeites Vermögen nicht nur auf eine Karte zu setzen, sondern auf mehrere Unternehmen, Branchen und Länder zu verteilen. Wobei die Diversifikation nach Sektoren, Ländern und anderen Kriterien an dieser Stelle nicht unser Thema sein soll.

Diversifikation schafft Sicherheit.

Maximale Sicherheit wäre gegeben, wenn in alle Unternehmen der Welt investiert würde. Das ist durch geschickte Kombination von einigen ETFs durchaus möglich, wird aber wohl kaum jemand ernsthaft in Betracht ziehen wollen.

In wie viele Unternehmen sollte man investieren?

Der Brite würde sagen „it depends“. Wie oben gezeigt, dient die Diversifikation der Risikominimierung und die Konzentration der Renditemaximierung. Folglich geht das Eine zulasten des Anderen.

Wenn Du risikoghungrig bist, kannst Du stärker konzentrieren und höhere Renditen erzielen.

Bevorzugst Du Sicherheit und einen ruhigen Schlaf, dann solltest Du stärker diversifizieren und musst dafür mit einer geringeren Rendite leben.

Jeder muss das für sich selber entscheiden. Wir glauben, dass man schon mit 20 Unternehmen ein sehr gut diversifiziertes Depot zusammenstellen kann. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Starterdepot von Aktienfinder.net.

Andere Investoren setzen ihrer Depotgröße bezüglich der Anzahl der darin enthaltenen Unternehmen überhaupt kein Limit. Unsere Beobachtung ist allerdings, dass diese Investoren oftmals eine sehr hohe Summe investiert haben, der jedoch vergleichsweise geringe Erträge gegenüber stehen.

Unsere optimale Depotgröße

Für uns haben wir nach folgenden Gesichtspunkten festgelegt, dass wir in ungefähr 50 Unternehmen investieren wollen:

1. Unternehmensnähe

Der wichtigste Grund für unser selbstauferlegtes Limit ist, dass wir nicht einfach Aktien kaufen, sondern uns an Unternehmen beteiligen und damit selbst zu Unternehmern werden.

Für jeden Unternehmer ist es unerlässlich, dass er sein Unternehmen bestmöglich kennt und versteht. Aber wie vielen Unternehmen kann man gleichzeitig seine Aufmerksamkeit zukommen lassen?

Wir stellen immer wieder fest, dass unsere Depotgröße mit 50 Unternehmen eigentlich schon zu groß ist. Immer wieder gehen Informationen an uns vorbei, weil wir nicht sorgfältig genug in Unternehmensmeldungen geschaut oder deren Bedeutung nicht sofort verstanden haben.

Dieser Umstand ist sicher auch dem schnellen Wachstum unseres Portfolios geschuldet. Dies wird sich zwangsläufig beruhigen und daher glauben wir, dass der Anspruch nah an „unseren“ Unternehmen zu sein, über kurz oder lang bei 50 Investments noch beherrschbar ist.

2. Verwaltungsaufwand

Wir erfassen und verfolgen unsere Investments sehr detailliert und teilweise redundant (eigene Software, Google Tabellen, Portfolio Performance und Rentablo). Dazu kommen noch die Artikel hier im Blog, die wir aber an dieser Stelle gedanklich ausblenden möchten.

Mit jedem Investment steigt der Aufwand für die Verwaltung unseres Einkommens. Und das, obwohl es doch eigentlich ein passives Einkommen sein sollte.

Der Aufwand, der aktuell für unsere knapp über 50 Investments anfällt, sprengt teilweise bereits heute den Aufwand, den wir akzeptieren wollen. Aus diesem Grund erscheint der Wert 50 eine angemessene Obergrenze.

3. Anlage- und Auswahlkriterien

Obwohl es sehr viele attraktive Unternehmen gibt, an denen wir gerne beteiligt wären, fällt uns die Investitionsentscheidung in neue Unternehmen zunehmend schwer.

Wir verstehen unser Portfolio als etwas ähnliches wie eine Liste der besten Unternehmen, basierend auf unseren subjektiven Kriterien.

Wollen wir in die Top 10, die Top 50 oder die Top 100 investieren? Wie viel „schlechter“ ist der hundertste im Vergleich zum besten? Wir viel höher ist das Risiko beim hundertsten eine Niete zu ziehen?

Wir wissen es nicht.

Wir glauben aber, dass das Risiko eine Niete zu ziehen und gleichzeitig unsere Rendite zu verschlechtern mit jedem zusätzlichen Unternehmen steigt.

Mit jedem zusätzlichen Unternehmen würden wir Kompromisse eingehen und unsere Anlage-/Auswahlkriterien damit verwässern.

4. Veredelung

Daher bevorzugen wir es, unser Depot und unsere Rendite langfristig durch Veredelung zu optimieren. Das heißt, dass wir regelmäßig (etwa jährlich) unsere Investments überprüfen wollen.

Entsprechen sie noch unseren Auswahlkriterien? Konnten sie unsere Erwartungen erfüllen? Sehen wir Perspektiven?

Im Rahmen dieser Evaluation wollen wir behutsam Unternehmen gegen „bessere“ austauschen.

Die Limitierung der Depotgröße bei gleichzeitiger Beibehaltung des Anspruchs möglichst langfristig zu investieren und Unternehmen möglichst nicht zu verkaufen, erzwingt in diesem Prozess eine gewisse Sorgfalt.

Wenn wir ein neues Unternehmen aufnehmen wollen, muss dafür ein anderes weichen. Das erfordert reifliche Abwägung. Wir zwingen uns auf diese Weise über jeden Austausch gründlich nachzudenken und glauben, dass dieser Auswahlprozess dazu führt, dass die lohnenswertesten Investments in unser Depot finden.

5. Absicherung von Totalverlust

Egal wie sorgfältig wir in unserem Auswahlprozess vorgehen. Das Risiko eines Totalverlusts kann nie ausgeschlossen werden. In Abhängigkeit vom investierten Betrag kann ein Totalverlust die Erfolge mehrerer Jahre zunichte machen oder sogar im Falle einer maximalen Konzentration in die Pleite führen.

Wir haben für uns festgelegt, dass ein Totalverlust eines Unternehmens uns nicht mehr als ein Jahr zurück werfen darf.

Unsere momentane jährliche Rendite beträgt knapp über vier Prozent. Dies wäre folglich etwa die Größenordnung, die uns ein Totalverlust maximal kosten dürfte.

Aus diesem Wert ergibt sich, dass unsere Zielgröße mindestens 25 Unternehmen betragen sollte. Mit 50 Unternehmen sind wir auf der sicheren Seite. In diesem Fall beträgt das Risiko eines Totalverlusts bei gleicher Investitionsssumme je Unternehmen nur zwei Prozent. Dies gibt uns einerseits ausreichend Puffer und andererseits Luft um einzelne Unternehmen stärker oder schwächer zu gewichten.

Schlußbemerkung

Unsere Gedanken spiegeln unser heutiges Wissen und unsere heutige Erfahrung. Nach einem Jahr Dividendenstrategie stehen wir noch am Anfang unserer Reise. Wer weiß ob unser Plan in einem oder zwei Jahren noch so steht? Insbesondere die Depotgröße betrachten wir als ein eher weiches Ziel. Welche Rolle spielt es ob sich 50, 54 oder auch nur 40 Unternehmen im Depot befinden?

Letztendlich geht es um die zugrundeliegenden Ziele der Risikominimierung und Renditemaximierung. So lange diese in einem Gleichgewicht sind, mit dem wir uns wohlfühlen, ist alles in Ordnung.


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Ein Kommentar

  1. Hallo Kassenwart,

    danke, dass du meine Frage so ausführlich beantwortet hast. 😉

    Die angeführten Argumente kann ich alle gut nachvollziehen. Jeder muss für sich entscheiden, welche davon für ihn wichtig sind.

    So halte ich es zum Beispiel für weniger wichtig, das Unternehmen, in welches man investiert, besonders gut zu kennen. Zahlreiche Analysten und andere Börsenprofis beweisen täglich, wie wenig es manchmal nützt, dass man sich mit einem Unternehmen intensiv beschäftigt hat. Auch die oft gegensätzlichen Ergebnisse verschiedener Analysten, sollten einem hier zu denken geben. Trotz sorgfältigster Recherche, kann man die Zukunft nach wie vor nicht voraussagen.

    Natürlich informiere ich mich vor meinem monatlichen Aktienkauf über die entsprechende Firma. Ich nutze dazu in erster Linie die Investor Relations Seiten und Seeking Alpha. Nachdem ich die Aktien gekauft habe, lese ich aber keinen einzigen Quartalsbericht mehr. Einige Unternehmensnews schnappe ich noch hier und da auf, ich suche aber nicht danach.

    Ich habe bisher noch keines meiner Unternehmen verkauft und habe es auch nicht vor. Eine Pleite kam bisher in meinem Portfolio noch nicht vor.

    Der Verwaltungsaufwand hält sich also in Grenzen. Einzig das Notieren der Dividendenausschüttungen macht Arbeit. In diesem Fall macht es mir jedoch Spaß. Ob das bei über 100 Unternehmen immernoch der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.

    Ich gehe aber davon aus, dass ich spätestens bei 100 verschiedenen Firmen, anfangen werde, bestehende Investments aufzustocken und nur noch selten in neue Unternehmen zu investieren.

    Viele Grüße
    Mike

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